Der friedvolle Krieger*

Jemanden aus einer anderen Kultur kennen zu lernen, ist immer wieder spannend. Ganz unvermittelt hatte ich diese Tage die Gelegenheit zu einem Abendessen mit einem auf den Fidschi-Inseln geborenen und in Neuseeland aufgewachsenen jungen Mann, den ich auf Ende Zwanzig schätze. Ich hatte Nicole Katharina von einem Yin Yoga Teacher Training abgeholt. „Vis…“ – or just call me „V“ –  hatte die gleiche Idee, nämlich sein Sweetheart abzuholen. Da sie und Nicole Katharina sich kannten, sind wir zusammen mit unseren Sweethearts gleich ins Gespräch gekommen und haben uns kurzerhand zu einem Abendessen beim Inder entschlossen.

Soldat im Retreat

Ich weiß nicht, wie es herging, aber wir haben über Pfeil- und Bogen-Parcours gesprochen, über das Draußen-Sein, die Natur und es war ein wundervoll leichtes und gleichzeitig so tief gehendes Gespräch. Wir waren sofort auf einer gemeinsamen Wellenlänge: „I know exactly what you’re saying.“ Dann stellt sich heraus, „V“ ist – Soldat. Er war jahrelang in Afghanistan und auch im Irak. Er hat sich ein Jahr Auszeit genommen und verbringt diese bei seiner Liebsten, eine ungefähr ebenso jungen Niederbayerin, die länger in Neuseeland war.

Photo by RODNAE Productions on Pexels.com

Turbulenzen im Kopf und im Herzen

Es war für mich höchst interessant zu erleben, wie mein Innerstes in Turbulenzen geriet. Mit dem Etikett ‚Soldat‘ ist bei mir, wie mir in diesem Moment bewusst wurde, ein Klischee angesprungen. Etwas getriggert worden. Haben sich mir als Wehrdienstverweigerer (damals Anfang der 1990er Jahre) nicht nur ideologische sondern auch biographische Fenster aufgetan. Ich spürte die Verwirrung in meinem Herzen und in meinem Kopf: Aber das ist doch ein so sympathischer Kerl und das Gespräch ist so wertvoll, das kann doch kein Soldat sein? Doch, ist er.

Photo by Pixabay on Pexels.com

Sich in den eigenen Schatten begeben

Gleichzeitig, und da zeigt sich wieder, wie alles mit allem in diesem Universum verbunden ist, bin ich doch gerade selbst dabei, den Krieger in mir zu wecken: meine kraftvolle Seite zuzulassen, meine Power bis hin zu meiner Wut – meinen Schatten, vielleicht meinen Dämon. Um in Begriffen aus dem Yoga zu sprechen: Ich lebe sehr viel Yin. Sanftheit, Güte, Liebe. Strahle Ruhe aus. Seit Kindheitstagen gibt es in mir aber den buchstäblichen Krieger. Der gerade beim Sport ordentlich dreingeschlagen hat. Verurteilt wurde (gelbe Karte, rote Karte). Die Wut mit sich selber ausgetragen hat. Und irgendwie gelernt hat: Dieses Verhalten ist nicht gut. Diese Gefühle sind nicht gut. Es ist besser, sie zu verhindern. So habe ich über Jahrzehnte auch eine kraftvolle Energie in mir zugeschüttet. Und brauche mich heute nicht zu wundern, dass ich bisweilen nicht in meine volle Kraft komme. Mich nicht zu meiner ganzen Größe aufrichte. Meine vollen PS nicht auf die Straße bringe.

Ich stehe im Schatten des Schlosses und schaue in den Himmel über Gut Hötzing. – Alle Fotos, wenn nicht anders gekennzeichnet: Christian Heitzer-Balej

Der Krieger in mir

Dieses „Thema“ habe ich in der Begleitung wundervoller Lehrerinnen und Coaches in den letzten Jahren immer wieder neu erkannt. Und mir wurde manches geraten. Seit einiger Zeit nun gehe ich dieses Thema konkreter an und übe mich beim Yoga in den Krieger-Positionen. Zuletzt hat Nicole Katharina von ihrer wundervollen Lehrerin Eva Bomhard (www.yama-mangfall.de) und just von dem oben erwähnten Wochenende bei Helga Baumgartner und ihrem Sweetheart Pema (www.yinplusyoga.de) großartige Krieger-Flows mitgebracht.

Advances and Retreats

Der Warrior fließt hier auf seiner Heldenreise in Advances and Retreats. Er bricht aus seiner Heimat/Basis auf, geht in den Kampf (= in seine Kraft), zieht die Energie dabei immer wieder in sein Zentrum, zieht sich von Zeit zu Zeit zurück und kehrt in seine Heimat/Basis zurück: The warrior rests, der Krieger ruht.

Krieger des Lichts

Seit vielen Jahren begleiten mich die Bücher von Paulo Coelho. Unter anderem sein „Handbuch des Kriegers des Lichts“. Auch hier ist die Sprache des Kampfes, des Krieges bzw. der Schlacht präsent, doch im Zentrum steht der Krieger eben des Lichts. Also nicht der, der zerstört oder tötet. Es geht um den Krieger als den Helden des eigenen Lebens, der eben seinen Kampf kämpft, indem er seine Talente und Kräfte entfaltet. Auch „V“ hat mir in dem Gespräch sehr glaubwürdig geschildert, wie er sich wirklich als friedvoller Krieger versteht. Als einen, dem es darum geht, Frieden zu bringen oder zumindest für den Frieden zu arbeiten und einzustehen.

Licht und Schatten, Wolken und blauer Himmel auf und über dem Gut, auf das wir uns seit acht Monaten zurückgezogen haben.

Friedvoller Krieger

Ich habe den Begriff „Friedensmission“ im politischen Kontext immer in Frage gestellt. Wie kann man Soldaten in ein Land schicken und erwarten, dass sie Frieden bringen? Soldat-Sein und Frieden-Bringen, das passte für mich nie zusammen. Und jetzt ist da „V“, der mein Bild in Frage stellt. Mich an das erinnert, was ich über die indigene Kultur gelesen habe, wo die Krieger, die Helden des Stammes tatsächlich diejenigen sind, die nicht nur für den Schutz des Stammes verantwortlich sind, sondern dafür, auch im Alltag für die Schwachen und Alten einzustehen.

Hinderliche Glaubenssätze ent-decken

Und vielmehr fällt es mir wie Schuppen von den Augen, was mich selbst angeht: Wie soll ich denn den Krieger in mir aufwecken und meine ganze Herz-Power entfalten, wenn ich die Verbindung von Sanftmut und Kraftfülle durch entsprechende Glaubenssätze so generell und kategorisch ablehne?

Den Himmel weiten. Das dürfen wir auch in uns. Immer wieder. Stück für Stück. Unsere Angebot auf Gut Hötzing schaffen dafür Raum und Gelegenheiten.

Sein Mindset aktualisieren und Yin und Yang ausbalancieren

In mir anfangen, Yin und Yang auszubalancieren. An meinem eigenen Leben einen Beitrag leisten, die Welt ins Lot zu bringen. Menschen zutrauen, einen Friedensbeitrag auch als Soldat leisten zu können: Ja, ich durfte in der Begegnung mit „V“ mal kurz mein langjähriges Mindset aktualisieren. Den Krieger-Flow im Yoga zu üben allein reicht nicht. Ich darf schon auch meine Glaubenssätze anschauen und sie auflösen, weil sie die tatsächliche Verinnerlichung abschmettern. Nur in der Kombination bekomme ich meine vollen PS auf die Straße.

Wunderschön blüht der Topinambur im Moment auf dem wundervollen Gut Hötzing.

Wir von cordat herzensbildung wollen beide Kräfte stärken: Den Retreat, das Sich-Zurückziehen, das Ruhen in der Basis, der inneren Heimat einerseits. Und andererseits den Mut, die Power, anzugreifen: sein Leben in die Hand zu nehmen, beherzt die eigenen Talente zur Entfaltung bringen. Für sich. Für die anderen. Für die Welt. Von 3. bis 5. Oktober bieten wir mit einer Auszeit auf dem wundervollen Gut Hötzing die Möglichkeit zum „Retreat“: sich zurückziehen, innehalten, Kräfte sammeln. Zum Kennenlernen und Üben der Yoga Flows gibt es demnächst neue Kurs-Termine und zur Begleitung bei der Entfaltung der Herz-Power ein neues Format. Alle Infos für jetzt und für demnächst auf unserer Homepage www.cordat.org. Wir freuen uns von Herzen auf eine Begegnung!

_________________

* Manch eine*r mag irritiert sein, dass ich in Zeiten des Krieges in der Ukraine den Begriff „Krieger“ benutze. Im Yoga wird das Wort aus dem Sanskrit auch gerne mit „Held“ übersetzt. Vielleicht findet es auch jemand generell unpassend, in Zeiten dieses Krieges überhaupt eine Art positiv besetzte Lesart des Begriffes Krieger zu verwenden. Mein Eindruck ist und mein eigenes Erlebnis und damit dieser Blogbeitrag entwickeln das auch in gewisser Weise: Das Böse lauert überall. Und das Gute auch. Auch vor dem Krieg in der Ukraine gab es Kriege in vielen Erdteilen dieser Welt und es gibt sie noch. Das Phänomen ist nicht neu, sondern lediglich näher gerückt. Wir gehen an der Sache vorbei, wenn wir neue Begriffe (er-)finden. Nicht der Krieger/Soldat/Held an sich ist zu verurteilen. Es ist immer eine Absicht, ein Verhalten und die Folgen/Resultate, die uns letztlich so etwas wie eine Einschätzung erlauben.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s