Eigentlich wollten wir uns mal für eine Nacht mit unserem VW-Bus ins Perlbachtal stellen. Dort sind wir kürzlich mal durchgefahren und fanden das einfach wunderschön. Und wir haben den Platz auch gefunden: Feldwege, Wald, Wiesen und der liebliche Perlbach.
Denkste
Doch wir haben keine 60 Sekunden das Auto in die frisch gemähte Wiese rangiert, da werden wir vom Bauern „gestellt“: „De Stodterer glauben, sie können sich einfach überall hinstellen; lassen dann ihren Müll da und fahren wieder.“ Ob wir uns nicht hierherstellen dürfen, nur um Brotzeit zu machen. Ja, wir kommen aus der Stadt und das Land zieht uns magisch an. Wir hätten Hunger, was zum Essen dabei und würden natürlich alles wieder mitnehmen. Müll da zu lassen, kommt für uns nicht in Frage. Unser Verständnis und zwei dazukommende Nachbarn des Bauern lassen ein nettes – und angesichts des Hungers: fast zu langes – Gespräch entstehen. Schließlich gibt uns der Bauer noch seine Visitenkarte, er betreibt nämlich einen Schrotthandel samt „Erlebnis-Flohmarkt“ und lässt uns gnädigerweise auf seiner Wiese Brotzeit machen. Ohne allerdings den Hinweis zu vergessen, dass er die Wiese verpachtet habe und der Pächter nicht so kulant wäre, wenn auch er noch hier vorbeikommt.
Es gibt immer einen Plan B
Wir haben verstanden, packen unsere Campingstühle und den Tisch aus, machen unsere Brotzeit – nicht so gänzlich in Ruhe und wissend, dass wir hier nicht bleiben wollen.
Wir schauen also in den „Landvergnügen“-Katalog und wählen eine gänzlich legale Variante, eine Nacht irgendwo auf einem an die Vignette angeschlossenen Hof zu stehen. Nicht allzuweit von hier, in Parkstetten, nähe Straubing werden wir fündig: Der Hof der Haselbecks mit ihrer „Marmeladenküche“ hat einen seiner zwei Stellplätze für uns frei. Es gibt immer einen Plan B. Und manchmal ist der viel zu gut, als dass man ihn so nennen möchte.
Esel raus, VW-Bus rein

Gäuboden, wie man sich ihn vorstellt. Felder über Felder. Brettleben. Im frühsommerlichen Dunst etwas verborgen, doch gar nicht so weit entfernt: die sanften Hügel und Berge des oberen und unteren Bayerischen Waldes. Wir fahren in den Hof hinein. Eva, die junge Chefin hier, winkt uns schon herein und mit ihr ist der Hofhund. Schwanzwedelnd ohne irgendein Bellen begleitet er unser Hereinfahren und genießt unsere Aufmerksamkeit so wie wir die Seine. Währenddessen meint Eva, wir sollen hinter ihr herfahren – sie würde den Esel umquartieren, das heißt: Wir dürfen mit unserem VW-Bus den bisherigen Platz des Esels übernehmen.
Bienen und Hühner, Esel mit Ziege, Dammwild und Raya, die Stute
So stellen wir unser Auto ab: Vor uns der Hühnerstall samt Bienenvölkern. Links von uns ein kleines Gehege mit Dammwild, das uns neugierig und ohne jede Scheu beobachtet. Hinter uns Raya, die Stute, die ziemlich durcheinander ist, wie uns erzählt wird, weil ihr Kumpel, mit dem sie aufgewachsen ist, heute auf unbestimmte Zeit den Hof Richtung Schwarzwald verlassen hat. Rechts von uns liegt das weitere Hofgelände mit einer weiteren kleinen Koppel, wo jetzt der Esel sein darf – samt seiner ständigen Begleiterin: einer Ziege, mit der „Marmeladenküche“ und einer „Orangerie“, in der ein kleines Café wohnt.
Dito und der Opa

Schließlich der Opa. Er bewegt sich auf dem Gelände mit Rollator. Buddelt dann aber einen jungen Kirschbaum wieder aus, „weil er einen Schädling hat“. Eben schildert er Eva, seiner Enkelin, dass er einen Egerling gefunden hat. Und eben „Dito“. Eine Seele von einem Hund. Der Labrador-Münsterländer-Mischling möchte ausgiebig gestreichelt werden. Und wer nur ein klein wenig das Herz aufmacht, kann auch gar nicht anders.
Leben (und Sterben) auf dem Hof
Der Opa erzählt von den Schicksalsschlägen des Hofes, einer seiner Söhne sei mit 22 Jahren mit dem Motorrad tödlich verunglückt und vor einem Jahr seine Frau gestorben – nach 10 Jahren Demenz. Und er erzählt von seinen Hühnern, den Erdbeeren und der „Marmeladenküche“ und den Bienen. Von der aktuellen Lage der letzteren und dass „einer heute davongegaunert wäre und bisher nicht mehr wiedergekommen“. Ich brauche eine Weile, bis ich verstehe, dass er ein ganzes Bienenvolk meint. Die Frage sei, ob „er die Königin dabei habe“. Und was das bedeutet – im einen und im anderen Fall. Hier auf dem Hof steht das Leben mit den Tieren und Früchten im Vordergrund. Das ist für den Städter wunderbar entspannend: Die Geräusche der Bienen, der Hühner, des Dammwildes, des Esels, der Stute, die Gerüche, die Sonne, der Wind. Der Hund, der gestreichelt werden möchte.
Herzensbildung und Herzensprojekte

Den kleinen Gasgrill auspacken, Abendessen kochen. Dann taucht „Erika“ auf. Die Mutter von Eva. Zuerst begrüßt sie die Stute, winkt und grüßt auch uns schon von weitem. Und kommt dann auf einen Ratsch zu uns. „Herzensbildung“ machen wir, steht auf unserem Auto. Das interessiert sie. Und erzählt selbst von ihren Engelseminaren, von ihrem Massageangebot und ihrer Auraarbeit. Dem kleinen Café in der Orangerie. Und dem Leben hier mit den Tieren. Da leben wieder mal welche ein Herzensprojekt. Und ein Eingebundensein als Großfamilie aus vier Generationen in das große Ganze und in der Natur – vom Wald über die Herzfrucht Erdbeere und die Bienen bis zum Dammwild, der Katze, dem Hund, Pferd und Esel. Auch wir träumen von einem Hof mit weitläufigem Gelände, gemeinschaftlichem Leben und Arbeiten und wollen diese Vision jetzt ins Leben bringen. Aus solchen konkreten Beispielen wie hier kann man viel lernen.
Dem Fluss des Lebens trauen
„Das Leben ist immer für dich.“ Wer diesen Satz „durchs Fleisch zieht“, wie das eine schamanische Lehrerin von uns nennt, wer das von ganzem Herzen glaubt, der verliert jegliche Angst und allen Ärger im Leben. Es lohnt sich immer, dem Fluss des Lebens zu trauen, dem Lauf des Lebens zu vertrauen. Das gilt im Großen wie im Kleinen. Bei den weitreichenden Lebensentscheidungen wie bei den kleinen Zeichen im Alltag. Das „Nein“ des Bauern im Perlbachtal hat uns das Geschenk beschert, den Haselbecks samt Tierfarm, ihrer Marmeladenküche und ihrem Kaiser-Café zu begegnen. Das Leben beschenkt uns. Manchmal in dem es unsere Pläne durchkreuzt. Das Leben gibt uns Raum zum Wachsen und lernen. Wenn wir uns auch auf neue Routenvorschläge einlassen.