Die stillen Schatten des Lärms

Direkt mit dem ersten Lied steigen mir Tränen in die Augen. Diese Musik, diese Stimme berührt mein Herz. Unmittelbar. Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht. Es ist wie ein Kontakt. Ohne „wie“. Es  i s t  ein Kontakt. Eine Umarmung. Eine liebevolle Umarmung des Universums, des Lebens, Gottes. Der Name ist nicht wichtig. Es ist die Erfahrung von Liebe. Nicht zwischen zwei Menschen. Musik ist das Medium, der Raum der Mitteilung. Der Kommunikation. Der Begegnung.

Vom Theater in den Club

Dhafer Youssef an seiner Oud mit Thomas Gansch und seiner Trompete. – Alle Fotos dieses Beitrags, wenn nicht anders gekennzeichnet: Christian Heitzer-Balej

Vor zehn Wochen habe ich Dhafer Youssef das erste Mal live erlebt. Ein Geschenk meines Bruders. Damals im wundervollen Prinzregententheater in München. Einem Konzertsaal par excellence. Das hier ist anders. Heute bin ich im Porgy & Bess. Ich wollte das Geschenk dieser Musik weitergeben an meine zauberhafte Frau. Das Porgy & Bess ist ein Club mit Kultstatus in der Vielvölkerstadt Wien. Man sitzt an winzigen Tischen. Eng an Eng. Im Keller. Gedämpftes Licht. Es werden Getränke gereicht. Immer wieder hört man Geschirrklappern. Den Dampf der Kaffeemaschine. 

Von Herzen im Kontakt 

Im ersten Moment fühlt sich das an wie eine Störung des musikalischen Erlebnisses. Doch es ist wie im Meditationsraum. Und wie im Leben überhaupt: Innehalten und lauschen. Dort, wo wir sind. Mit den Umständen und (Neben-?) Geräuschen, die da sind. Dhafer Youssef ist hier musikalisch aufgewachsen und lässt sich nicht stören. Mit seiner durchaus intimen Musik kapselt er sich nicht ab, igelt sich nicht auf der Bühne ein. Im Gegenteil: Er ist im Herzkontakt mit den Gästen. Und von Herzen stellt er seine Musiker vor. Nicht irgendwie. Er erzählt, wie er sie erlebt. Das ist einzigartig. 

Zum Himmel hin offen. Dieser fantastische Sakralbau steht in der Toskana. Es ist das Kirchenschiff der ehemaligen Zisterzienserabtei San Galgano. – Dieses Foto und das Beitragsbild: Nicole Katharina Balej

Im Einklang sein

Wer sich auf (Dhafers) Musik einlässt, von Herzen einlässt, dem widerfährt, was sonst durch Meditation, Tanzen oder eben jede (andere) Art von liebevoller Begegnung geschieht: Unser Herz kommt in Kohärenz. Wir kommen, wie es so schön heißt, in Einklang. Im konkreten Fall ist es ein In-Einklang-Kommen mit dem Beyond, der Transzendenz, dem Leben, dem Universum, dem Göttlichen. Wieder: Der Begriff ist nicht wichtig. Wesentlich ist die Erfahrung. Wir kennen ein Im-Einklang-Sein mit uns selbst. Vielleicht ist aber auch kein wesentlicher Unterschied zwischen beidem. 

Wenn Sie Emotionen wie Dankbarkeit wirklich mit Ihrem ganzen Wesen empfinden, ändert sich auch Ihr Herzrhythmus. Er geht über in dieses schöne gleichmäßige Sinuswellen-Muster. Ihr Herz wechselt in einen Zustand der Kohärenz.

Rollin McCraty, in: Das intelligente Herz. Tor zu Höherem Wissen und Intuition, Natur & heilen. Die Monatszeitschrift für gesundes Leben, Dezember 12/2022, S. 17.

Seelenfrieden

Wer wirklich mit sich selbst – wenn auch nur für einen Moment im Reinen ist, wie wir sagen, im Einklang mit sich, der ist so etwas wie all-ein. Mit allem im Reinen. Im Einklang mit sich und der Welt. Weshalb man nicht grundsätzlich mit allem an sich und der Welt einverstanden sein muss. Aber für einen Moment darf man immer wieder im Einklang sein. Im Reinen. Ein kohärentes, also ein im Einklang schwingendes Herz bringt die Seele in Frieden. Seelenfrieden. Und es braucht heute wie zu allen Zeiten Menschen, die im Seelenfrieden sind. Sonst wird auch im Außen keine Frieden sein.

Dieser schöne Spruch stammt von Lars Amend und ist dem Kalenderblatt vom 24. April 2023 entnommen. Der Kalender trägt den Titel „It’s all GOODies“

Stille im Schatten des Lärms

Dhafers Musiker drehen auf an diesem Abend. Da ist ordentlich Noise, also ‚Lärm‘. Und ich liebe etwa Schlagzeuglärm. Den habe ich lange selbst produziert. Ich liebe es, wenn die Trompete von Thomas Gansch an diesem Abend abgeht oder das Klavier, die ungewöhnliche Tuba. Und noch mehr liebe ich „die stillen Schatten des Lärms“, so die geniale Überschrift über diesem Abend im Porgy & Bess in Wien. Die Stille im Schatten des Lärms. Die leisen Töne. Auch in der Stimme von Dhafer Youssef ist beides: Im tiefen Bass kommen arabische Laute und Wörter leise daher. Und sein Gesang entwickelt sich bis zu einer Art Schreien, das die Trompete wie selbstverständlich aufnimmt und das Ohr kann nicht mehr unterscheiden, wo der Schrei Dhafers endet und wo die Trompete anhebt. 

Niemand schreit schöner

„Niemand schreit schöner“ hat mein lieber Bruder über Dhafer Youssef gesagt. Die musikalische Karriere von Dhafer Youssef ist ein Märchen. Als Spross einer Familie von Muezzinen entdeckt er seine Liebe zur Stimme und zur Musik. Er macht sich von Tunesien auf nach Europa. Findet eine zweite Heimat in Wien. Verdient seinen Lebensunterhalt als Fensterputzer. Und glaubt an seine Musik. Seinen Traum. Seine Bestimmung. Heute spielt er etwa mit Herbie Hancock, einer lebenden Jazzpianisten-Legende und füllt Konzertsäle überall auf der Welt. Wer hat damals an diese im wahrsten Sinne des Wortes ver-rückte Musik geglaubt? Er selbst. Er hat sich nicht beirren lassen. Sein Talent, seine Gabe, seine ganz eigene musikalische Spur gelegt in diese Welt hinein. 

Den Traum leben

Und so sitze ich da, lausche und staune. Bin angerührt, berührt, verzückt. Lasse mich umarmen vom Leben. Lasse mir Seelenfrieden schenken. Wünsche mir und glaube, hoffe und weiß: Auch ich stelle mein Leben in diesen Dienst: Im Schatten des Lärms Raum und Gelegenheit für Herzkohärenz und Seelenfrieden zu schaffen. Mit meiner Arbeit und meinem Sein. In der menschlichen Begegnung, im Rahmen eines Seminar, im Schreiben. Und auch ich glaube an meine Träume. Und lebe sie. Unbeirrt. Glaube, dass sie nicht nur zu meinem eigenen Wohl sind, sondern gleichzeitig zum Nutzen anderer und damit der Welt. Und natürlich gilt das für alle Menschen. Ja für alle Wesen. Alle Wesen sind dazu berufen, ihr Potenzial zu leben. Und nicht selten stehen ihre Träume genau dafür.

Die nächste Gelegenheit, bei cordat herzensbildung in den stillen Schatten des Alltags-Lärms einzutauchen bietet die Tagesauszeit auf Gut Hötzing am Sonntag, 21. Mai 2023. Weitere Angebote unter www.cordat.org. Wir, Nicole Katharina Balej und Christian Heitzer-Balej, freuen uns auf eine Begegnung von Herzen!

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