Was brauchst Du wirklich?

Die erste und wichtigste Übung des achtsamen Selbstmitgefühls ist es, immer wieder neu bei sich einzuchecken und eine ehrliche Antwort auf die Frage nach den eigenen Bedürfnissen zu finden. Was brauche ich jetzt? Vielleicht eine Pause oder eher mal kurz Action? Etwas zu essen, etwas zu trinken, frische Luft? Ein Gespräch, einen Erfolg, Zuspruch, Trost, eine Umarmung? Oder schlicht und einfach einmal nichts?

Ankommen bei den eigenen Bedürfnissen

Sich in die Nähe von Bäumen zu begeben, die über hundert Jahre alt sind, kann unglaublich kraftspendend sein.

In unseren Seminaren stellen wir im Rahmen einer „Ankommübung“ gerne die Frage „Was brauchst du – was wünschst du dir?“ Das fällt bei vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf den Boden dessen, was gerne „Erwartungen“ genannt wird: Was erwarte ich mir von diesem Seminar, von dieser Fortbildung? Doch wir meinen die Frage konkreter, radikaler: Was brauchst du jetzt – unabhängig davon, ob du oder jemand anders dir das jetzt geben kann. Diese Frage soll uns zur Wahrnehmung unserer Bedürfnisse führen. Zu einer Bewusstheit, einer Wachheit für unsere authentischen Bedürfnisse.

Welches eigentliche Bedürfnis liegt dahinter?

Eine Teilnehmerin hatte, wie sie in der Austauschrunde nachher erzählt, den Begriff „Energie“ da. Es sei im Moment so unendlich viel zu bewältigen und sie wisse nicht mehr, woher sie die Kraft dafür nehmen soll. Ja, „Kraft“ brauche sie. Gerne haken wir in der erwähnten Übung aber nochmal nach: „Und noch einmal nachgefragt: Was brauchst du wirklich?“ Bei dieser nach-Frage, was sie denn wirklich braucht, merkt dieselbe Teilnehmerin: Was sie wirklich braucht, ist einfach mal so richtig Ruhe. Da fällt mir das milliardenfach zitierte und deshalb gefühlt so platt gewordene Sprichwort ein: „In der Ruhe liegt die Kraft.“ Die Frage: „Was brauchst du – wirklich?“ kann uns eine Ebene dahinter führen. Bei ihr zu der Erkenntnis: Kraft finde ich, wenn ich mir mal wirklich Ruhe gönne. Eine andere Teilnehmerin merkt bei der „wirklich“-Frage: Was sie wirklich braucht ist „Halt“. Und in einem anderen Seminar entdeckt eine weitere Teilnehmerin ihr Bedürfnis nach „Frieden“.

Wenn der Kopf die Antwort gibt

Mein Eindruck ist, dass die Antworten auf solche Fragen bei sehr vielen Menschen aus dem Kopf kommen. Vielleicht gibt es einen winzigen Sekundenbruchteil, wo am Herzen eine Antwort aufflackert oder das Bauchgefühl etwas erzählen möchte. Da Antworten von hierher für den Kopf aber meist ungewohnt und überraschend sind, sucht er selbst nach einer „adäquateren“ Antwort. Einer Antwort, die „besser passt“. Die gesellschaftsfähig ist. Dann kommt so etwas wie: „Neue Methoden für die Arbeit mit meinen Klient*innen“.

Eine Antwort aus dem Herzen oder einfach „Bauchgefühl“

Wenn wir innehalten und zu unserem Herzen hin oder in den Bauch hinein spüren, können unsere wahren Bedürfnisse auftauchen wie Berge aus dem Nebel.

Dass wir den Moment erwischt haben könnten, die Antwort des Herzens oder das Bauchgefühl wahrgenommen zu haben, erkennen wir umgekehrt oft daran, dass wir selbst (sprich: der Geist, Verstand oder Kopf) „überrascht“ sind über die Antwort. Eine Seminarteilnehmerin beschrieb, was bei ihr abging mit dieser Frage, kürzlich so:

Ich habe gemerkt, dass ich mich mit solchen Fragen gar nicht beschäftigen mag. Das ist mir unangenehm. Da begegne ich mir selbst. Will ich das? Vordergründig nicht. Aber ich spüre plötzlich, dass da etwas ist: Umbruch. Es möchte etwas geschehen in mir. Zeit für Veränderung?

Eine Seminarteilnehmerin

Mut zu den eigenen Bedürfnissen

Sich selbst immer wieder die Frage zu stellen, „was brauchst du?“, und zwar liebevoll, so wie ein guter Freund, eine gute Freundin oder wie die Bedienung in einem Restaurant: „Was möchtest du jetzt (essen oder trinken)?“, und vielleicht noch einmal nachzuhaken: „Was brauchst du  – wirklich?“, kann eine kraftvolle Spur des achtsamen Selbstmitgefühls sein. Das braucht manchmal eine gehörige Portion Mut: Es kann zu einem Nein führen im Gespräch mit einem Gegenüber. Wenn dir etwas angeboten wird und du spürst, nein, das möchte ich jetzt gar nicht, das brauche ich nicht. Und zu einem Ja dir selbst gegenüber, wenn du dir genau das „erlaubst“, „genehmigst“, was du jetzt brauchst. Und zwar „wirklich“.

Die Natur ist unser wahres Zuhause. In ihr finden wir immer wieder Ruhe, Kraft, Frieden und Halt.

Wahr-nehmen als „die Wahrheit nehmen“

Üben wir auch hier, die Stimme des Herzens wahrzunehmen oder das Bauchgefühl zu Wort kommen zu lassen. Mitzubekommen, wenn uns der Kopf die überraschende Antwort gleich wieder auszureden versucht. Legen wir also die „Hand aufs Herz“ oder auf unseren Bauch: Üben wir wahr-zu-nehmen, ehrlich zu sein. Und dann auch gut mit uns zu sein und – wenn irgend möglich – uns das Bedürfnis zeitnah zu erfüllen!

Wenn ich ganz da bin …

Einer unser Teilnehmer hat kürzlich eine ganz anders gelagerte Entdeckung gemacht:

„Wenn ich ganz da bin, brauche ich gar nichts anderes mehr.“

Ein Seminarteilnehmer

Wenn wir ganz in den gegenwärtigen Moment kommen, voll Dankbarkeit spüren, was alles schon da ist, kann es sein, dass wir merken: Wir brauchen gar nichts mehr – zusätzlich. Es ist alles schon da. Den gegenwärtigen Moment zu kosten, ist schon alles. Das Nichts ist gleichzeitig alles. Und dieses Nichts und alles ist nichts weniger als: das Glück.

Unsere Weiterbildung „Der springende Punkt“, die mit einem Praxistag am 19. November startet, bietet mit einer fast fünfmonatige Begleitung in einer kleinen Gruppe die Möglichkeit, dem Herzen und dem eigenen Bauchgefühl wieder näher zu kommen. Sie bietet viel Raum, seine eigenen Kompetenzen zu erweitern. Und auch dafür, sein(e) Herzensprojekt(e) anzugehen. – Unsere aktuellen Übungsreihen zu YinYoga und Meditation und die Tagesauszeit (Retreat) im Advent sind Angebote, innezuhalten und für Momente zur Ruhe zu kommen.

Alle Infos dazu unter http://www.cordat.org!

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