Es ist stockdunkel, als ich am Gut ankomme und das Auto abstelle. Vorne beim Rossstall brennt Licht. Jens empfängt mich am Tor. Den kleinen Erik auf dem Arm.
De-ja-vù am Ritualplatz
Er geht voraus. Nimmt den Schleichweg, wo wir uns zwischen den Nebengebäuden und der Schlosskapelle hindurchdrücken den kleinen Hang hinauf. Nach wenigen Schritten finde ich mich unter dem Apfelbaum wieder, wo Nicki und ich noch vor wenigen Wochen geheiratet haben. Sommer war da noch. Und helllichter Tag. In der großen Schale brennt ein Feuer. Theresa empfängt mich und erläutert mir nochmal, was sie vorhat.

Heilige Ruhe
Alles ist so friedlich hier. Noch vor wenigen Minuten hat es genieselt. Novembergrau und nasskalt der Tag. Das Schloss und die vielen Nebengebäude liegen im Dunkeln. Der Apfelbaum hat alle Früchte und auch fast alle Blätter losgelassen. Der nahe Wald und das Rauschen des Windes. All das könnte eine düstere Atmosphäre erzeugen. Doch es liegt eine heilige Ruhe über diesem Platz.
„Eine Seele von Mensch“
Ein Tisch steht seitlich zu den Stühlen und fungiert als eine Art Altar. Hierauf finden sich Räucherwerk und so genannte Ahnenteller: Teller mit Lieblingsspeisen für die Verstorbenen. Seelen, die uns vorausgegangen sind. Dabei sticht mir sofort eine Leberkässemmel ins Auge. Und ich verorte sie bei Theresa, die sie für ihren viel zu früh verstorbenen Vater hergerichtet haben dürfte. Ihren Vater, der sich dieses Gutes angenommen und damit begonnen hatte, es aus dem Schlaf der Geschichte zurück zu den Menschen zu holen. Nach allem, was ich über ihn gehört habe, muss er so etwas gewesen sein, wie „eine Seele von Mensch“. Was für eine bemerkenswerte Formulierung. Eine Formel, diesen „Allerseelen“-Tag neu zu buchstabieren? Kennen wir nicht alle solche Menschen? Und: Wären/sind wir nicht auch selbst gern „eine Seele von Mensch“?
Frieden für alle Seelen
Während des Rituals erinnere ich selbst solche „Seelen von Menschen“, die auch ich gehen lassen musste. Ein Großvater meiner Kinder etwa. Er war Zeit seines Lebens großzügig. Ich habe nie ein böses Wort von ihm gehört. Am Ende hat er sein Leben gegeben – viel zu früh und „freiwillig“, wenn man das überhaupt so sagen kann. Um sich und denen, die er hinter sich ließ, den finanziellen Crash zu ersparen. Und ich lege ihm und anderen Seelen, die mir vorausgegangen sind, Friedenswünsche ins Feuer.
Das Heilige ist überall
Am Dienstag der Allerheiligenwoche haben auch wir unsere wöchentliche online-Abendmeditation in die Perspektive dieser besonderen Tage Allerheiligen/Allerseelen gestellt. Und gleich bei einer unserer Lieblingsübungen zu Beginn, nämlich der „5-Räume-Meditation“, nach Spuren des „Heiligen“ in den jeweiligen Räumen der Einzelnen gefragt: Wo hast du heute „Heiliges“ aufgespürt im Draußen, wo du jetzt herkommst? Was taucht auf, wenn du dich nach dem „Heiligen“ hier drinnen in dem Raum, wo du dich jetzt befindest, fragst? Entdeckst du „Heiliges“ auch im Raum deines Körpers. Und im Raum deiner Gedanken? Und wie sieht es in dem weiten Rund deiner Stimmungen, Gefühle, Emotionen aus? Ist Heiliges in deinem Herzen?
Das Heilige da draußen
Die Richtung der Antworten im Anschluss ist ähnlich: Da draußen, in der Natur, finden alle leicht „das Heilige“. Nur nicht bei sich. Schon gar nicht in ihrem Körper… Es ist für uns keine Kategorie, dass etwas an uns „heilig“ sein könnte. Doch: Ist nicht unser Körper ein wahres Wunderwerk? Ist er nicht durchaus zu heiligen angesichts der Fähigkeiten, die in uns liegen: Das Gehen, die körperlichen Möglichkeiten, die Arbeit der unzähligen Muskeln, Bänder, Sehnen, Knochen. Was in unseren Zellen abgeht. Und auch, was wir an kreativen Gedanken produzieren können. Unser Reflektieren, unsere Ideen und Pläne. Und natürlich auch, was unser Fühlen und unser Herz vermag. Unsere Liebe?
Fly like a river
Fly like a river / Flow with the ocean / Fly on the wind that blows through the winter / Dream about love / Believe in your dreams / Live in the ocean of love / Close your eyes and feel the wind that is blowing / Open up your hands and sing / I am holy / I am holy / I am here to live this life / Dance in not knowing / Know your perfect power / Dance like a lion in the wild / Laugh like a child / Sing in full presence / Sing with the lion in the wild / Close your eyes and fill the wind that is blowing / Open up your hearts and sing / I am holy / I am holy / I am open to see flowers blooming / I am here to live this life
Netanel Goldberg
Das Heilige auch in mir?
Das Heilige (Göttliche?) ist in uns allen. Wir sind vom Schöpfer zu Mit-Schöpfer*innen berufen. Und wir dürfen unser Leben aufspüren. Unsere Berufung hören und leben. Wir sind hier, „dieses Leben zu leben“ (I am here to live this life), wie es in dem schönen Lied Holy von Netanel Goldberg heißt. Dazu gehört auch: „Tanzen wie ein Löwe in der Wildnis“ (Dance like a lion in the wild). Und, was ein Aufruf:
Tanze im Nicht-Wissen / Dance in not knowing
Netanel Goldberg

Wenn diese Zeit etwas auszeichnet, dann das Nicht-Wissen. Tatsächlich macht uns das Tanzen beweglich, geschmeidig. Es generiert Raum. Und bespielt ihn. Es bringt uns in Kontakt mit unseren Möglichkeiten, unserem Potential: mit dem Verstand im Kopf und mit unserer Intelligenz im Herzen und im Bauch. Also lasst uns dem Aufruf gerne folgen: Tanze im Nichtwissen! Und der Raum (des Nicht-Wissens) wird heiliger Raum. Wenn wir beweglich bleiben, geschmeidig, wenn wir tanzen, führen uns Verstand, Herz und Intuition durch den Nebel des Nichtwissens.
In unserer Weiterbildung „Der springende Punkt“ schaffen wir Raum und Gelegenheit, das Hören mit dem Herzen (wieder) zu gewinnen. Über mehrere Monate begleiten wir dich dabei, deine Herzensprojekte und -beziehungen anzupacken. Und auch dabei, dich selbst auszuprobieren in der Verwendung der erworbenen Tools zur Achtsamkeit und Herzensbildung. Die nächste Reihe startet am 19. November. Anmeldung und Infos über unsere Website http://www.cordat.org!
Das Herz schlägt
in seinem Takt
der Mensch
benötigt die Bildung
durch die Seele
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