Ich sitze auf unserer Camping-Couch, ein Geschenk von lieben Freunden. Und das endlich draußen in der Sonne. Es ist Gründonnerstag. Der Winter ist zäh heuer. Immer noch halten sich die meisten Bäume und viele andere Pflanzen zurück mit der Geburt ihrer neuen Blätter, dem Grün und den Farben ihrer Blüten. Voll Sehnsucht wünsche ich mir, dass auch hier in Ostbayern endlich der Frühling sich Bahn bricht mit Sonne, Wärme und dem alljährlichen Blüten-Feuerwerk.

Ostara
Das christliche Osterfest wird immer am ersten Wochenende im Anschluss an den Vollmond nach dem germanischen „Ostara“* gefeiert. Doch die Frühlingstagundnachtgleiche haben wir bereits zum kalendarischen Frühlingsbeginn hinter uns gelassen. Und zusammen mit der Umstellung auf Sommerzeit erleben wir, was das Tageslicht angeht, schon die große Aufbruchstimmung im Jahreskreis.
Dankbarkeit statt Krisenmodus
Im gesellschaftlichen Umfeld erleben wir seit vielen Jahren eine Gewöhnung an so etwas wie einen Krisenmodus. Eine Krise folgt der nächsten. Beziehungsweise: Eine Krise gesellt sich zur anderen. Der Kreislauf der Natur lädt uns zu einer Aufbruchstimmung ein. Wenn ich hier draußen die Vögel und Traktoren höre, die leichte Brise spüre und die wärmende Sonne auf der Haut, dann spüre ich: Ich bin am Leben. Und ich bin dankbar für mein Leben. Für diesen Tag. Für diesen Augenblick.
Aufbruch im Draußen, Aufbruch drinnen

Jedes Jahr erwacht „die Natur“ im Frühling zu neuem Leben. Auch unsere „Natur“, unser Mensch-Sein darf neu aufwachen; aufbrechen und anpacken. Meinem Bruder wurde vor wenigen Wochen nach einem Herzstillstand buchstäblich das Leben neu geschenkt. Das war mein vorgezogenes Osterfest, seine „Auferstehung“ aus einem Sekunden-Tod. Diese Erfahrung hat mich ermutigt, auch in meinem Leben neu hinzuschauen: Was ist es, was ich fühle, dass es durch mich noch in die Welt gebracht werden darf? Was liegt, schlummert, wartet noch in mir, das noch ins Leben treten möchte?
Rituale und Feste an den Übergängen des Lebens
Kürzlich hat mich ein Mann auf dem Parkplatz eines Biomarkts angesprochen, der mich beobachtet hatte, als ich gerade Flyer für unser Angebot von Ritualbegleitung und Freien Trauungen ausgelegt hatte. Er sprach mich an, ob wir auch Trauerfeiern begleiten. Ja, wir verstehen uns als Ritualbegleiter*in für alle Übergänge des Lebens. Auch ein Paar war bei uns, das keine klassische Taufe nach christlichem Ritus sondern ein Segnungsfest für ihre kleine Tochter feiern will, ein bewusstes Willkommen im Kreis der Familien und Freunde. Und Brautleute waren wieder da zu ersten Vorgesprächen für ihre Freie Trauung. In der Osterwoche sind wir für ein wundervolles Paar mit einer ebenso wundervoll abenteuerlichen gemeinsamen Geschichte am Gardasee zu ihrer Trauung. Ihr Hochzeitsfest markiert den Abschluss eines Prozesses, eines Weges zueinander und zugleich den Aufbruch in einen neuen Wegabschnitt.

Ostern und das Samenkorn
Bei unserem Tagesretreat am letzten Sonntag auf dem zauberhaften Gut Hötzing haben wir unsere Teilnehmer*innen zu einem Samenkorn-Ritual eingeladen. „Das Samenkorn fällt in die Erde und stirbt“, heißt es in der christlichen Tradition. Das ist der Karfreitag, der Beginn des Triduums, der heiligen drei Tage – hin auf das wichtigste Fest im Christentum, Ostern. Aus dem Ruhen im Dunkel der Erde (die Grabesruhe am zweiten Tag) bringt es reiche Frucht. Das ist Ostern, der dritte Tag. Die Auferstehung des Toten in ein neues Leben. Das Aufbrechen des Samenkorns, das sich entfaltet und reiche Frucht bringt.

Eingewoben in das große Ganze
Es ist gut, mehr noch, es ist essenziell, Rituale zu (er-)finden für unsere Absichten, Feste zu feiern, Zeremonien – ob „Ostara“ oder Ostern, ob Kindersegnung oder Taufe, Geburtstag, Tod, Auferstehung, das wieder geschenkte Leben oder Hoch-Zeit. Zeremonien schenken dem Leben nicht nur Tiefe. Sie lassen uns das Eingewobensein in das große Ganze spüren, das die einen das Leben nennen oder Universum, andere Gott.
Du fragst, was dir am meisten fehlt? Am meisten fehlen dir die Zeremonien. Es gibt nichts Wichtigeres im Leben als Zeremonien. Nichts fehlt euch Menschen des Westens mehr als Zeremonien. Ihr glaubt, Zeremonien seien etwas Geheimnisvolles und Schwieriges. Ganz so wie das Leben, das euch kompliziert erscheint. Aber die Wahrheit ist: Das Leben ist ganz einfach. Und wunderschön. Ihr seid es, die ihr das Leben kompliziert macht.
Angaangaq Angakkorsuaq, ein Schamane aus Grönland**

Einen Traum aussäen
Der sich nun Bahn brechende Frühling ist die beste Gelegenheit des Jahres, sein Leben wieder auszupacken. Projekte, Anliegen, Träume zu realisieren. Was willst du aussäen, um es in den nächsten Wochen und Monaten zu kultivieren und wachsen zu sehen – und vielleicht im Herbst eine Ernte einzufahren? Vielleicht magst du das Osterfest nutzen, um in einer kleinen Zeremonie deine eigene „Aussaat“ zu feiern und einen neuen Frühling deines Lebens zu würdigen!

Am 28. April gibt es bei Christian & Nicole Katharina von cordat mit dem Freitagsworkshop „Achtsamkeit, Yoga & Meditation“ die nächste Gelegenheit für eine kleine Auszeit auf Gut Hötzing. Anfragen für Rituale & Zeremonien zu den unterschiedlichsten Anlässen und Übergängen des Lebens jederzeit an herz@cordat.org!

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* Ostara ist der Name der germanischen Göttin des Frühlings, der Morgenröte, der Fruchtbarkeit und des Ackerbaus. Von ihr leitet sich auch das Wort “Ostern” ab und ihr Tier war der Hase, auch ein Fruchtbarkeitssymbol. So kam es zum Phänomen des Osterhasen.
** Zitat aus seinem von Christoph Quarch herausgegebenen Buch „Schmelzt das Eis in euren Herzen!“, S. 30.